Zum Einstieg und richtig Lust bekommen an dem Thema sei dieser Film der Neuen Züricher Zeitung empfohlen - auch wenn Korea darin leider nicht vorkommt:
https://www.nzz.ch/panorama/norwegische-algen-finden-den-weg-auf-europaeische-teller-ld.1702302
Ein Blick vom Satelliten auf Korea
Im Westen wird gefremdelt . . . was als stinkiger Tang am Strand oder als lästiges Zeug im Wasser um die Beine sich schlingt, wird in Korea in unendlich vielen Sorten und Variationen als Spezialität verspeist. Korea ist – weit mehr noch als Japan – das Zentrum der Algenkulinarik. Darüber hinaus der größte Exporteur an Seepflanzen. Was auf dem obigen Foto nur als weiße Perlekette und im Vordergrund als schwimmendes Bojenlager zu erkennen ist, erhält beim Blick aus dem Weltall in Satellitenaufnahmen erst die wahre Dimension: das gigantische Ausmaß an Algenfarmen an der Südküste Koreas, wie eine rätselhafte Stadtlandschaft breiten sich die Farmen um hunderte von Inseln aus, dazwischen Wasserstraßen im Schachbrettmuster vergleichbar mit Manhattan.
https://earthobservatory.nasa.gov/images/148215/green-harvest-in-south-korean-waters
Blue Carbon
Seaweed, der mittlerweilen gebräuchliche Oberbegriff für die vielen unterschiedlichen Algen und Tange, ist das Gold der Ozeane. An jedem 10. Mai ist in Korea der “National Plant Day”, an dem die Bevölkerung und Schulklassen helfen, Seaweed für den Klimaschutz anzupflanzen. Es bindet 50fach(!) mehr CO2 als Pflanzen und Bäume an Land. Die normalerweise wild an Steinen wachsenden Algen können in Kulturen angebaut und geerntet werden ohne das Ökosystem zu schädigen und ohne zusätzliche Düngung. Die notwendigen Lebensbedingungen sind allein Licht, CO2 und sauberes Wasser. Damit helfen auch die gigantischen Algenfarmen bei der Neutralisierung von CO2-Emissionen.
https://www.thebluecarboninitiative.org/
https://www.geomar.de/entdecken/kohlenstoffaufnahme-im-ozean/blue-carbon-management
Naturschutz
Die einzigartige Wattlandschaft “Wando Gun” mit den vielen Inseln und Algenfarmen steht unter Naturschutz und ist von der UNESCO 2021 zum Biosphere Reserve unter Weltkulturerbe gestellt worden.
https://www.korea.net/NewsFocus/Society/view?articleId=204002
Forschung
Grund genug, dass auch Europa auf das Potenzial von Seaweed aufmerksam wird. In zahlreichen Ländern wurden inzwischen Forschungseinrichtungen aufgebaut, die Wege des regenerativen Farmings untersuchen, ihre ökologischen positiven Auswirkungen dokumentieren und sie dem europäischen Speiseplan zugänglich machen sollen. Seaweed kann ein bedeutender Baustein beim Umbau unserer Ernährung werden: weg von der Ertragsmaximierung, das heißt eine resiliente ökologische Landwirtschaft, weniger und wertvolleres Fleisch, ergänzt durch das CO2-bindende nährstoffreiche Seaweed. Im Vordergrund steht dabei die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung - klimagerecht - zu sichern.
Hierzu noch einmal der Link zu dem sehenswerten Film der Neuen Züricher Zeitung: eine Fülle von Informationen mit tollen Landschaftsbildern. Gerahmt von der Geschichte zweier Enthusiatinnen auf den Lofoten, die ein Start Up für Seaweed gegründet haben, wird über den Stand der Forschung berichtet.
Vielleicht noch bedeutender für die globalen Herausforderungen ist der weltweite Zusammenschluss zur Förderung einer “Seaweed Revolution”. Die gesteckten Ziele eines koordinierten internationalen Austausches der Safe Seaweed Coalition sind außerordentlich ambitioniert:
Ernährung
Seaweed liefert Nährstoffe, die problemlos jede fleischliche Ernährung in den Schatten stellen. Proteinreich, wenig Kalorien, Mineralien, Eiweiß (2 fach vom Rind), Vitamin C (24 fach von Orangen), Eisen (80 fach von Milch) und sorgt mit einem hohen molekularen Jodanteil der Mangelversorgung an Jod vor. Damit sichern sie insbesondere eine vegetarische und vor allem eine vegane Ernährung gegen Mangelerscheinungen ab. Aber auch bei fleischhaltiger Ernährung leidet die Bevölkerung in Deutschland noch immer an einer unterschätzten Mangelversorgung mit Jod. Die hier wachsenden Pflanzen (und auch Tiere) können so gut wie kein Jod aus der Erde aufnehmen, da die hiesige Erde praktisch jodlos ist.
In Korea existiert eine über tausend Jahre alte Tradition, Algen in die Ernährung zu integrieren. Und besonders die Kombination aus Algen mit Sojabohnen, Tofu und Sojasauce liefert eine raffinierte Ballance bei der Aufnahme von Nährstoffen. Auch die in Europa befürchtete Überversorgung mit Jod wird dadurch auf natürliche Weise reguliert. Nicht umsonst erreichen KoreanerInnen und JapanerInnen bei dem weltweiten Vergleich des Gesundheitszustandes die vordersten Plätze.
sehr ausführliche Darlegung, in der auch die koreanische Ernährungsweise angesprochen wird:
https://www.paracelsus.de/magazin/ausgabe/201701/jod-grosse-verwirrung-um-ein-altes-heilmittel
die Situation bei Schilddrüsenerkrankungen wird auf diesen beiden Online-Seiten gut zusammengefasst.
zuviel oder zuwenig Jod?
Wir stellen hier ein paar Argumente zusammen. Sie beanspruchen nicht, die einzige Sicht auf das Thema abzubilden und sind auch nicht abschließend. Wer eine Schilddrüsenvorerkrankung hat und deshalb jodhaltige Lebensmittel möglicherweise nicht verträgt, sollte auf alle Fälle seinen Arzt fragen, wieviel und wie oft sie/er Seaweed verzehren darf.
Ansonsten leidet die europäische Bevölkerung eher am Gegenteil, an erheblichem Jodmangel, was überhaupt erst zu Schilddrüsenerkrankungen führt. Jod ist lebensnotwendig und sichert unter anderem die Funktionsfähigkeit der Schilddrüse. Der Jodmangel ist ein erhebliches Problem unserer modernen Ernährung. Er verschärft sich noch, wenn man auf vegetarische oder sogar vegane Lebensweise umstellt. Seaweed ist dann umso wertvoller auf dem Speiseplan.
Meeresalgen (nicht Süßwasseralgen!) besitzen ein hohen Jodanteil, manche Algensorten sogar einen sehr hohen Anteil. Sie können deshalb ein wichtiger Baustein in der Ernährung darstellen. Es enthält molekulares Jod, welches von unserem Körper besser aufgenommen werden kann als das Konzentrat Kaliumiodad, das dem jodierten Salz synthetisch zugesetzt wird.
Da die Jodkonzentration von Algen den täglichen Bedarf an Jod schnell übersteigt, sieht sich das Bundesamt für Ernährung veranlasst, davor zu warnen und Grenzwerte festzulegen. Sie wollen damit insbesondere die Menschen mit Schilddrüsenerkrankung schützen. In den USA sind die Grenzwerte um ein Zehnfaches höher, in Korea, wo Seaweed seit Jahrhunderten auf den Speiseplan gehört, existieren überhaupt keine Grenzwerte. Es gibt dort auch so gut wie keine Schilddrüsenerkrankungen.
Algen verlieren beim Waschen bereits die Hälfte des Jodgehaltes, nach dem Kochen ist noch 25% Jod enthalten. Im Übrigen isst man sowieso keine riesigen Portionen, man isst auch nicht jeden Tag Seaweed, und am Ende scheidet ein gesunder Körper ohne Schilddrüsendysfunktion das überschüssige Jod einfach wieder aus. Ein Blick über unseren Tellerrand hinaus zeigt: in Korea und anderen asiatischen Ländern wird weitaus mehr Seaweed gegessen - mit positiven gesundheitlichen Folgen.
Übrigens: Schwangeren und Stillenden wird in Korea empfohlen, in den ersten Wochen nach der Geburt täglich eine Seaweed Suppe zu essen.